2010: Gereimte Fastnachtspredigt zu 1. Korinther 13, 1-13

Gereimte Fastnachtspredigt zu 1. Korinther 13, 1-13

„Das Hohelied der Liebe“
14. Februar 2010
von Kerstin Schäfer

1. Nachdem ich schon zum zweiten Mal
gepredigt hab im Großen Saal,
der besser zu beheizen war
als der Bereich um den Altar,
bin ich jetzt doch ein bisschen stolz,
zu stehn am echten Kanzelholz,
wo vor mir große Theologen
die Quintessenz aus Texten zogen.

2. Der Text ist heute ziemlich leicht.
Auf Liebe sind wir ja geeicht
und wissen, dass kein Streben nützt,
wenn man die Liebe nicht besitzt.

3. Doch halt! So einfach ist’s nicht immer,
und manch Ereignis ist viel schlimmer,
als viele das ertragen können.
Ich will hier nur ein Beispiel nennen:

4. Es bebte vor ´nem knappen Jahr
die Erde rund um L’Aquila,
dem schönen Ort in den Abruzzen,
den viele gern für Urlaub nutzen.

5. Auch hier ist’s wie bei vielen Beben:
es kostet Hunderte das Leben,
und Tausende sind obdachlos,
besitzen nur noch Hemd und Hos’.

6. Es werden Zelte aufgestellt
mit Spenden aus der ganzen Welt.
Und mancher muss mit ein, zwei Kisten
die nächste Zeit sein Dasein fristen.

7. An jeden, der dann draußen pennt,
denkt väterlich der Präsident
und glaubt, sein Trostwort bringt die Wende:
„Nehmt’s als ein Camping-Wochenende!“

8. Er ist vielleicht kein böser Bube,
doch fehlt ihm jede Kinderstube.
Der gute Geist, der hier vonnöten,
ging schon bei der Erziehung flöten.

9. In Kitas und im Klassenzimmer,
Büro und Hörsaal – wo auch immer –
ich sag’s den Jungen und den Alten:
„Lasst doch ein bisschen Liebe walten!“

10. Doch hör ich schon im Geist Protest.
Die Vorurteile sitzen fest.
Man merkt nicht viel von Toleranz
und geht dann lieber auf Distanz.

11. „Wie? Ich soll meinen Lehrer lieben,
der stets versucht, mich auszusieben?
Der sitzt auf seinem hohen Ross
und wär’ mich lieber heut schon los.“

12. „Was? Diese Schüler soll man lieben?
Die sind verlogen und durchtrieben.
Die kleinen ungezognen Flegel,
die sind zu meinem Sarg die Nägel.“

13. Gemach! So kommt ihr doch nicht weiter.
Ein bisschen Rücksicht wär gescheiter.
„Mit Liebe bei der Sache sein“ –
das ist es, glaub ich, was ich mein.

14. Der Paulus schreibt an die Korinther:
„Ich glaub, es wär’ für euch gesünder,
wenn ihr die Liebe einbezieht
in alles, was um euch geschieht.

15. Wollt ihr die großen Reden schwingen,
wird’s ohne Herzblut nicht gelingen,
denn ohne Liebe – ´s ist kein Scherz –
da seid ihr nur ein tönend Erz.

16. Wisst ihr die Leute zu entzücken
mit Prophetie und Bergerücken
und habt die Liebe nicht dabei,
ist’s nur ´ne große Mogelei.

17. Wenn ihr den Armen alles schenkt,
euch selbst dabei den Leib versengt
und lasst dabei nicht Liebe walten,
bleibt wieder alles nur beim Alten.“

18. Die Liebe ist privat sehr wichtig.
Das halt ich auch für gut und richtig.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
ob sich das Herz zum Herzen findet.

19. Wird auch Verliebtheit bald verblassen,
muss man die Liebe wachsen lassen.
Sie soll euch durch Jahrzehnte tragen,
in guten wie in schlechten Tagen.

20. Dass unser Wissen Stückwerk ist,
den Blick aufs Ganze man vermisst,
das hat der Paulus schon erzählt,
als wüsst’ er, was uns heute quält.

21. Aus Funk und Fernseh’n kennt ihr’s schon:
die Riesen-Rückruf-Akti-on.
Verklemmte Gas- und Bremspedale,
die werden leicht zur Todesfalle.

22. Peugeot, Toyota, Citroën,
ich frage euch: Wo sind wir denn?
Ihr schraubt das Ding zusamm’n in Eil’.
Wo bleibt die Liebe zum Detail?

23. Ja, auch beruflich kann man’s üben,
die Arbeit, die man tut, zu lieben
Geduld und Sorgfalt einzusetzen
und einfach weniger zu hetzen.

24. Langmütig, freundlich ist die Liebe,
folgt nicht dem nächsten besten Triebe,
Mutwillen, Eifer kennt sie nicht.
Sie stellt sich nicht ins Rampenlicht.

25. Die Liebe weiß, was sich gehört,
tut nur, was keinen andern stört,
ist auf Verbitt’rung nicht erpicht
und nachtragend ganz sicher nicht.

26. Das Unrecht wird sie gänzlich meiden;
die Wahrheit mag sie besser leiden.
Ertragen kann sie schlimmste Pein,
lässt den Gequälten nicht allein,

27. glaubt an das Gute heldenhaft
mit ganzer Überzeugungskraft.
Wenn großes Unheil uns entsetzt,
sagt sie: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

28. Ein Blick sei auf die Welt gerichtet,
damit sich da der Nebel lichtet:
Konzern-Fusionen hier und dort,
das ist jetzt wohl der neuste Sport.

29. Wenn ein Konzern den andern schluckt,
wird eine Prämie ausgespuckt.
Die Liebe zu dem großen Geld
regiert anscheinend unsre Welt.

30. Und wer weist eigentlich die Banken
zurück in die gesunden Schranken?
Sie wollen alle unser Bestes,
denn Derivate sind nichts Festes.

31. Das Geld woll’n sie in harter Währung.
Wie lang schon kennt man die Erklärung:
„Sobald das Geld im Kasten klingt,
die Seele in den Himmel springt.“?

32. Ich will mich heute nicht genieren,
den „Banker“ neu zu definieren:
´S ist einer, der ´nen Schirm verleiht
und ihn zurückverlangt, wenn’s schneit.

33. Was sagt uns Paulus an der Stelle?
Prophetisch Reden ist nicht helle
in dieser Wissensdurst-Epoche.
Beim Wetter reicht’s ´ne halbe Woche.

34. Das wöchentliche Horoskop
verdient nicht unbedingt viel Lob.
Zwar kann man’s leicht als Wahrheit deuten,
doch passt es auch bei andern Leuten.

35. Als ich noch klein war und ein Kind,
war ich so klug, wie Kinder sind.
Jetzt bin ich groß und eine Frau.
Kenn’ ich die Wahrheit jetzt genau?

36. Es kann bestimmt was Größ’res geben
als dieses unscheinbare Leben.
Das wird erhab’ner – ja vollkommen –
als das, was wir bisher vernommen.

37. Wie durch ´nen Spiegel sehen wir
ein dunkles Bild von dir und mir.
Wird Gott dereinst den Schleier heben,
soll’n wir ein klares Bild erleben.

38. Nun bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe.
Wenn man das Leben so betriebe,
dass keiner einen Schaden nimmt,
dann glaub ich, dass die Mischung stimmt.

39. Dem Valentin wird heut beteuert,
dass man um seinetwillen feiert.
Die Liebenden verehr’n ihn glühend,
um ein Geschenk sich schnell bemühend,

40. doch nicht für diesen Kirchenmann,
nein, heute ist die Liebste dran.
Da gibt es Blumen und Konfekt,
was man dann auf den Hüften trägt.

41. Bevor ihr anfangt laut zu gähnen,
wollt’ ich den Luther noch erwähnen
und dann zu einem Ende kommen,
sonst lauschen wieder bloß die Frommen.

42. Das „Hohe Lied“ hab’n wir gesungen
mit Menschen- und mit Engelszungen.
Das tiefe Lied kommt nach der Predigt
das wär’ dann damit auch erledigt.

43. Längst ist noch alles nicht in Butter,
drum sprech’ ich hier mit Martin Luther
inmitten all des Durcheinanders:
„Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.
Gott helfe mir.

Amen.

Schreibe einen Kommentar

Kabarett Kabarett Kabarett